1980
"Full Participation" und "primäre" Behinderung in unseren Sonderschulen, ein Projektierungskredit und zahlreiche Schulaktivitäten
Lesen wir den Jahresbericht aus dem Jahre 1980 oder denjenigen aus dem Jahr 2015? Es ist frappant, wie sich unsere Stiftung immer wieder mit denselben Thematiken zu befassen hat und gegebene Sachverhalte einer breiteren Öffentlichkeit immer neu erklären muss. Ausgangspunkt der Jahresberichtserstattung bildet das bevorstehende Jahr 1981, welches von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Jahr des Behinderten“ erklärt wird. Als Motto dieses Jahres wird international der Begriff „Full participation“, damals übersetzt als „volle Teilnahme“, bestimmt.
„Trägt die Stiftung ... zur „Full participation“ bei? Eine nicht zu überhörende Gruppe von Behinderten, Eltern, Sozialarbeitern, Psychologen, Erziehern, Therapeuten und Pädagogen würde mit dem Hinweis – „Sonderschulen führen zur Separation; die Behinderten müssen in öffentliche Schulen integriert und nicht in „Ghettos“ abgeschoben werden“ – auf die gestellte Frage mit „Nein“ antworten.“ Die im Jahresbericht nachfolgenden Überlegungen treffen im übertragenen Sinne auch heute noch zu und gipfeln in der Feststellung, dass „32 (Schülerinnen und Schüler) nach einem gescheiterten Versuch in der öffentlichen Schule zu uns übertraten. Davon haben – was besonders nachdenklich stimmt – mindestens 17 zusätzlich zur meist minimalen oder mittelgradigen körperlichen Behinderung sekundär psychische Fehlverhalten entwickelt.“ Im Jahr 2016 diskutieren wir mit dem BKS präzise denselben Sachverhalt unter dem Titel „Kinder und Jugendliche mit einer „primären“ (???) Körperbehinderung sowie einer zusätzlichen sozialen Beeinträchtigung bei zeka“. Wir hoffen sehr, dass es uns in Zukunft besser gelinge, aufzuzeigen, dass die Indikation, welche zu einer Sonderschulung oder zu einem Internatsaufenthalt bei zeka führt, selten alleine in einer körperlichen Behinderung liegt, sondern dass es sich meistens um eine Kumulation von Faktoren handelt, welche die Integration in der Regelschule – immer unter den gegebenen Voraussetzungen in derselben! – verunmöglichen.
Erfreulicherweise spricht sich sowohl der Stiftungsrat als auch der Einwohnerrat der Stadt Aarau für den Projektierungskredit von CHF 267‘000.- aus und der noch heute gültige Rahmenvertrag bezüglich der gemeinsam zu errichtenden und zu betreibenden Schulanlage Telli kann unterzeichnet und in Kraft gesetzt werden. Das Projekt findet – neben verschiedenen Spendenaktionen – ein gutes Echo in der Presse.
Auch dieses Schuljahr ist geprägt von den üblichen Höhepunkten. Das Schulheim Aarau führt seine Schulschlussfeier im Krankenheim Lindenfeld durch und am Samstag, 5. Juli 1980 titelt die Presse „Junge und alte Maienzügler im Wetterglück – ein spezielles Maienzugkränzchen gebührt den Pontonieren". Das Schlechtwetterprogramm kommt damit nicht zum Tragen.... Umfangreich dokumentiert sind wiederum die Winterlager in Seewis GR (Zentrum Baden) und Vernamièges VS (Schulheim Aarau).
Eine Trouvaille stellt das Kroki dar, welches der Einladung zum Aarauer Winterlager beigefügt ist: Die Schülerinnen und Schüler haben sich in der Freiverladeanlage Gais im damaligen Güterbahnhof von Aarau einzufinden, um möglichst hindernisfrei in den speziell für den Transport von Rollstuhlfahrenden hergerichteten „Invalidenwagen der SBB“ einsteigen zu können. Eine Rangierlok sorgt nach dem „Verladen“ der Kinderschar dafür, dass dieser Wagen danach an einen Schnellzug Richtung Wallis angekuppelt wird – man stelle sich das im Zeitalter von Taktfahrplan und Bahn 2000 vor.... Neben weiteren Schulreise- und Lagerprogrammen findet sich eine Einladung von Gérald Erne zu einem Weiterbildungstag vom 22. September 1980. Vermutlich handelt es sich dabei um den damaligen jeweils kantonsweit schulfreien Tag der „Kantonalen Lehrerkonferenz“, zu der unsere Stiftung offenbar auch die „Nicht-Lehrerinnen und -Lehrer“ bzw. Erzieherinnen und Therapeutinnen einlädt: „Eine Verkleidung als Lehrer ist nicht notwendig, doch bitte ich, sich möglichst unauffällig unter diesen zu mischen ...“
„Max“ besucht auch Therapien, der Physiotherapiebericht hält fest: „Im letzten halben Jahr haben wir viel an der Symmetrie gearbeitet. Einsetzen der rechten Körperseite, sowie stabilisierende Übungen für Hüfte und Knie, was „Max“ noch einige Mühe bereitet. „Max“ turnt sehr gut und fleissig mit."
Ueli Speich, Stiftungsleiter
Jahresbericht